Orden, ein nationaler Sonderfall und ein Blick nach draußen

Hier wird Synodalität in der katholischen Kirche bereits gelebt

Veröffentlicht am 29.10.2021 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Bonn ‐ Beim weltweiten synodalen Prozess soll es auch um eine gemeinsame Entscheidungsfindung aller Kirchenmitglieder gehen. In manchen Teilen der katholischen Welt ist das aber nicht mehr nur Theorie, sondern bereits Alltag. Drei Beispiele zeigen die Potenziale des Synodalen.

  • Teilen:

Der weltweite synodale Prozess läuft – und Papst Franziskus ist es wichtig, dass die Rede von Gemeinschaft nicht "nur fromme Absicht" bleibt. Zwar gebe es Fortschritte im Bereich Partizipation; aber "wir können nicht umhin, das Unbehagen und Leid vieler pastoraler Mitarbeiter, der partizipativen Organe in den Bistümern und Pfarreien und der Frauen" zu registrieren, so der Pontifex zur Eröffnung des Prozesses, der die Bischofssynode zur Synodalität 2023 vorbereiten soll. Überschrieben ist der Weg mit dem Titel: "Für eine synodale Kirche: Gemeinschaft, Teilhabe und Sendung" Wie kann aber Dialog und Beteiligung in der Praxis aussehen? Ein Blick in die katholische Welt offenbart, dass es schon einige Ansätze gibt, die die Weltkirche vielleicht inspirieren können.

Orden

Bei Orden und Gemeinschaften hat nicht immer nur eine Einzelperson den Hut auf, sondern es gibt ganz verschiedene Zuständigkeiten. Es gibt Obere des Gesamtordens, aber auch die Vorsteher von Provinzen. Gleichzeitig gibt es mit dem Generalkapitel ein höchstes entscheidendes Gremium. Weiterhin müssen alle Orden und Gemeinschaften jemanden benennen, die oder der das Ordensvermögen verwaltet – und diese Person darf nicht mit dem Oberen identisch sein. Macht ist hier also einerseits durch im Kirchenrecht verbindliche Normen aufgeteilt (Can. 617-640 CIC). Wer diese Regelungen allerdings liest, findet viele allgemeine Formulierungen: "Der oberste Leiter eines Instituts wird durch kanonische Wahl gemäß den Vorschriften der Konstitutionen bestellt." (Can. 625 CIC) An vielen Stellschrauben dürfen die Gemeinschaften also jeweils für sich drehen. Dazu gehört unter anderem die Besetzung des Generalkapitels. Manchmal wird es paritätisch nach Altersklassen besetzt, manchmal entsenden Provinzen Delegierte. Wie diese bestimmt werden ist wiederum unterschiedlich, mal durch Wahl, mal durch Ernennung. Etwa bei den Jesuiten, die sehr zentralistisch und hierarchisch organisiert sind, werden Provinzobere vom Generaloberen ernannt.

Ebenso unterschiedlich ist etwa die Verweildauer von Führungspersönlichkeiten im Amt. "Die Oberen sind für einen bestimmten und angemessenen Zeitraum gemäß der Natur und der Notwendigkeit des Instituts einzusetzen, sofern nicht die Konstitutionen für den obersten Leiter und für die Oberen rechtlich selbständiger Niederlassungen etwas anderes bestimmen" (Can 624 §1 CIC) Der Codex des Kanonischen Rechts gibt hier also einen breiten Spielraum. Die eigenen Regeln der Gemeinschaften können sich durchaus ändern: So wählten die Benediktiner ihre Äbte einst auf Lebenszeit, seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-65) ist die Amtszeit begrenzt.

Auch die Rechte und Pflichten der Oberen, Beratungsrunden und Berichterstattungen sind je in den Ordensregeln festgehalten. Je nach Gemeinschaft finden sich verschiedene Konzepte von Leitung, etwa wer einem Kloster vorsteht oder dort die wirtschaftliche Verfügungsgewalt haben darf.

Orden und Gemeinschaften bilden also einerseits als Teil der Kirche generell wie auch in einer großen Vielfalt an Regelungen untereinander eine Vielfalt an Leitungskonzepten ab. Ein Vorbild? Der Münchner Kirchenrechtler und Benediktiner Stephan Haering betonte bei einem Vortrag 2019, Orden seien wichtige Inspirationen für Synodalität.

Bild: ©Fotolia.com/milkovasa

Orden bilden Vielfalt an Leitungskonzepten ab.

Schweiz

Die Kirche betont gern ihre genuin hierarchische, nicht demokratische Verfasstheit – die Schweiz beweist jedoch das Gegenteil. Im Land der direkten Demokratie ist sogar die katholische Kirche zum Teil durchdemokratisiert. Hier gibt es eine Doppelstruktur: Neben den Bischöfen mit ihren Diözesen gibt es gewählte Laienvertretungen, die die Kirchensteuer erhalten und verteilen. Dieses Prinzip setzt sich bis in die Gemeindeebene fort, wo dem Pfarrer ebenfalls eine gewählte Laienvertretung gleichberechtigt gegenübersteht, die die Finanzmittel nach ihren Prioritäten verteilt. In anderen Kantonen – bezeichnend für die Schweiz – ist es zum Teil etwas anders organisiert, das Grundprinzip ist aber ähnlich.

Die Laien verteilen also das Geld und die Geistlichen sorgen für die Pastoral. Das führt immer wieder zu Auseinandersetzungen, manche Bischöfe betrachten dieses System mit größtem Unbehagen. Allerdings betont man in der Schweiz auch immer gern, dass diese Dualität Machtmissbrauch verhindere – weil die Macht aufgeteilt wird und keine der beiden Seite ohne die jeweils andere größere Entscheidungen treffen kann.

In der Schweiz ist also das Geld das entscheidende Mittel, mit dem Synodalität erzwungen wird. So entsteht (im Idealfall) stete Kommunikation und die Bischöfe sehen sich – weltweit einzigartig – einem Partner auf Augenhöhe gegenüber. Die Macht verteilt sich und wird gleichzeitig wenigstens zum Teil demokratisch legitimiert.

Kanton Tessin: Lugano, Blick in die Via Borghetto mit der Kathedrale San Lorenzo, Schweiz
Bild: ©picture alliance / DUMONT Bildarchiv | Udo Bernhart

In der Schweiz gibt es eine Doppelstruktur.

Altkatholische Kirche

Die altkatholische Kirche entstand ab 1872 in Folge des Ersten Vatikanischen Konzils und der päpstlichen Unfehlbarkeit sowie des Jurisdiktionsprimats des Papstes, die dort beschlossen wurden. Im Unterschied zur (römisch-)katholischen Kirche mit ihrer hierarchischen Ordnung ist die altkatholische Kirche synodaler aufgebaut.

Höchstes Entscheidungsorgan ist die gewählte Synode, die zu etwa zwei Dritteln aus Laien und zu etwa einem Drittel aus Geistlichen besteht. Sie beschließt Satzungen eines Bistums und hat in vielen Fragen die letzte Entscheidung. Sie wählt zudem den Ortsbischof. Die große Runde trifft sich alle zwei Jahre.

Als eine Art kondensierte Synode nimmt die Synodalvertretung stellvertretend für das große Gremium am Alltag eines Bistums teil. Sie leitet gemeinsam mit dem Bischof die Diözese. Unter anderem verwaltet sie die Finanzen und ist der Synode darüber rechenschaftspflichtig. Allerdings sind bischöfliche und synodale Komponenten nicht so streng voneinander getrennt. So ist der jeweilige Ortsbischof Mitglied sowohl in der Synodalvertretung wie auch in der Synode.

Die Altkatholiken haben eine Doppelstruktur, in der Bischöfe und Laien zusammenarbeiten, übergreifende Entscheidungen jedoch stets demokratisch legitimiert sind. Das verbindet sie mit den Kirchen der Reformation. Allerdings stehen ihre Priesterinnen und Priester in der apostolischen Sukzession, da die Weihelinie nie unterbrochen wurde.

Von Christoph Paul Hartmann